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Die Ermländersiedlung in der Eifel
Zusammengestellt nach Berichten von Ferdinand Groß, Erich Kluckert und Robert Parschau
Überarbeitet von Petra und Paul Schier

Durch die Vertreibung im Jahre 1945/46 wurden zahlreiche Katholiken aus dem Osten in das rein protestantische Schleswig Holstein verschlagen. Von Seiten der katholischen Kirche sah man sich hier vor allem genötigt, mit der seelsorgerischen Betreuung auch die Linderung der materiellen Not dieser Menschen zu verbinden. Der Bischof von Osnabrück beauftragte daher Erzpriester Lettau (früher Wormditt), eine entsprechende Organisation aufzubauen, die sich  „Katholische Heimatlosenfürsorge“ nannte. Lettau sammelte im Januar 1946 im Hamburger St. Marien-Krankenhaus einige Männer um sich, um mit ihnen zusammen Hilfsmöglichkeiten zu erkunden. Bei den Beratungen stellte sich bald heraus, dass in Schleswig-Holstein unter der großen Zahl ermländischer Landsleute vornehmlich Angehörige des ermländischen Landvolkes Zuflucht gefunden hatten. Viele von ihnen versuchten, unter den schwierigsten Umständen und unglaublichen Entbehrungen, das noch gerettete lebende und tote Inventar für etwaige Siedlungen oder Pachtungen zu erhalten.

Manche Höfe in Schleswig Holstein waren dermaßen mit vertriebenen Bauern und ihren Familien, zum Teil auch mit Tieren vollgestopft, dass weder Verdienstmöglichkeiten für diese Menschen noch ausreichendes Futter für die Tiere vorhanden waren. Die mitgebrachten Verpflegungsvorräte gingen recht bald zur Neige, und man musste notgedrungen darangehen, teilweise die Pferde zu verkaufen.

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit wurde am 11. Mai 1948 das „Siedlerhilfswerk Schleswig-Holstein e.V.“ gegründet. Seinerzeit waren bei der Siedlerberatungsstelle des Landwirtschaftsministeriums in Schleswig-Holstein 32000 Bewerber für bäuerliche Siedlungen registriert. Die Geschäftsführung des Siedlerhilfswerks hielt deshalb besonders in weniger mit Vertriebenen belegten Bundesländern nach Siedlungsland Ausschau.

Anlässlich einer Tagung der Katholischen Siedlungswerke kam es zu einer Begegnung zwischen dem Geschäftsführer des Siedlerhilfswerkes Schleswig Holstein Herrn Kluckert und Herrn Ob.-Regierungsrat Palmer, seinerzeit Referent für Landbeschaffung bei der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Frankfurt, an die sich ein lebhafter Gedankenaustausch und Schriftverkehr anschloss. In einem dieser Schreiben, das der eigentliche Beginn der Siedlungsaktion in Ahrbrück war, heißt es:

Eine weitere Wichtigkeit sehe ich in der Umsiedlung in die französische Zone. Ich komme gerade von einer Besichtigungsreise zurück, die ich zu diesem Zweck unternommen habe. In der Nähe von Koblenz liegt ein ehemaliger größerer Luftwaffenübungsplatz, der mehrere Dörfer ausquartiert hat, deren Rücksiedlung etwa mit 50% von Seiten der Einheimischen vorgesehen ist. Ich könnte mir denken, dass unter der Leitung eines fachlich tüchtigen „Lokators“ auf diesem Übungsplatz rd. 80 bäuerliche Stellen wieder übernommen werden könnten. Die Regierung ist einverstanden, dass wir in dieser Richtung Vorbereitungen treffen.

Das Gelände des ehemaligen Luftwaffenübungsgebietes umfasst ca. 9000 ha, darunter sind aber rd. 6500 ha Waldflächen. Die Höhenunterschiede liegen zwischen 250 und 650 m. Es handelt sich in der Hauptsache um Kartoffel- und Roggenboden. Das Grünlandverhältnis ist normal. Die seit 1940 nicht mehr bewirtschafteten Flächen sind stark verunkrautet und verginstert. Die Flur leidet unter erheblichem Wildschaden, und es bedarf  einer einheitlichen und gemeinsamen Rekultivierung sowohl wie Vergatterung und Bestellung der Flächen. Auf diesem Gelände waren 11 Dörfer mit rd. 2000 Einwohnern und etwa folgendem Viehbestand:

60 Pferde, 1400 Stück Rindvieh, 1100 Schafe, 520 Schweine, 320 Ziegen, 4400 Hühner. Dieser Wiederaufbau kann landsmannschaftlich gebundenen Gruppen von Heimatvertriebenen überlassen werden.

Damit war das Stichwort gefallen: Luftwaffenübungsgebiet Ahrbrück. Dies war die Geburtsstunde eines großen Siedlungsplanes, wie er seinesgleichen nicht hat in der Landbesiedlung der Nachkriegszeit. Es war ein großangelegtes Unternehmen, das tote Gelände wieder mit Leben zu erfüllen. Nichts war übriggeblieben als Ruinen, Wald, Hecken und Gestrüpp.

Was wurde geplant? Vorerst eine vorbildliche Flurbereinigung, die durch das Kulturamt in Adenau durchgeführt wurde, welches damals Oberregierungsrat Dr. Dr. Rieder leitete. Die besten Teile der einstigen bewirtschafteten Flächen wurden als Siedlerstellen in verschiedenen Größenordnungen vermessen und ausgelegt.

Nachdem man schon einzelne landsuchende Bauern auf Ahrbrück aufmerksam gemacht hatte, und diese stets nach Besichtigung des Geländes abgelehnt hatten, in die Einsamkeit der Eifelberge zu gehen, wurde man sich von zuständiger Seite darüber klar, dass nur eine landsmannschaftlich gebundene und geschlossene Gruppe angesiedelt werden könne, die neben Sitten und Gebräuchen auch die gleiche Wirtschaftsweise pflege und so besser mit den Schwierigkeiten des Siedlers im allgemeinen und des Siedlers in der Eifel im besonderen fertig werden könne.

So kam diesen Stellen der Vorschlag, Ermländer als Siedler einzusetzen, sehr passend, zumal diese auch in die Glaubensgemeinschaft der Bewohner dieses Gebietes hineinpassten.

Sehr viel Sorge machte den Siedlungsbehörden die Finanzierung des Siedlungsvorhabens. Es mussten Mittel aus verschiedenen „Töpfen“ geholt werden, wie z.B. Marshall-Plan, Flüchtlingssiedlungsgesetz, Lastenausgleichsmittel, Arbeitsförderungsfonds und andere mehr.

Am 6. Februar 1950 war es dann soweit, dass sich alle beteiligten Stellen mit einer Abordnung des Siedlerhilfswerks Schleswig-Holstein (Caritasdirektor Preuß, Geschäftsführer Kluckert, die Bauern Ferdinand Groß und Robert Parschau) in Ahrbrück versammelten, um das für die Siedlung vorgesehene Gelände zu besichtigen und Einzelheiten zu besprechen.

Der ermländischen Komission wurde dann die entscheidende Frage gestellt, ob die ermländischen Bauern, die in einer ganz anderen Landschaft beheimatet seien, mit dem bergigen, kargen Eifelboden und den besonderen klimatischen Verhältnissen zurecht kommen würden. Die Beantwortung dieser Frage war ungeheuer schwer.

Die Höhenlage betrage, so sagte man der Komission, bis zu 600 m über dem Meeresspiegel mit einer Niederschlagsmenge von 600 – 700 mm. Die Erträge des Bodens schätze man pro 1/4 ha auf 8 – 10 Ztr. Roggen, 10 – 12 Ztr. Sommerung und 80 – 100 Ztr. Kartoffeln; die Jahresleistung einer Kuh auf 2000 Ltr. Milch.

In der Verhandlung wurde von den ermländischen Siedlern eine Verrentung von 8 – 10 DM pro 1/4  Hektar verlangt. Es wurde versprochen, dass die Siedler drei Probejahre abzuleisten hätten und nach Bestehen dieser Probezeit Eigentümer der Siedlung werden würden. Als Inventarkredit sollten 5000 – 10000 DM mit vierprozentiger Amortisation gegeben werden. Es wurden drei Freijahre und zwei Schonjahre mit halber Verrentung zugesagt. Leider gab man diese Versprechen nicht schriftlich, es wäre dadurch viel Ärger und Verdruss erspart geblieben.

Die Komission entschloss sich, im Hinblick auf die drückende Notlage der Landsleute in Schleswig-Holstein, die geradezu nach Land schrien, das Gebiet zu besiedeln. Heutzutage würde man wohl kaum noch Siedler finden, die bereit wären, in eine solche Wildnis zu gehen!

Die Komission fuhr nach Schleswig-Holstein zurück und lud die siedlungswilligen Landsleute zu einer Versammlung nach Neumünster ein.

Auf dieser Versammlung, die sehr stark besucht war (insgesamt hatten sich über 800 ermländische Bewerber in die Liste des Siedlershilfswerks eintragen lassen), wurde Bericht erstattet über die Verhandlungen und den Zustand des Landes und dessen Erträge, ohne etwas zu beschönigen. Es wurde sogar alles noch ein wenig schlechter dargestellt als es war, damit niemand enttäuscht würde. Auf die Frage, wer unter den gegebenen Umständen bereit sei, in der Eifel zu siedeln, meldeten sich sofort so viele, dass nur etwa die Hälfte berücksichtigt werden konnte. Die Geschäftsführung kam schließlich zu dem Schluss, kinderreichen Familien den Vorrang zu geben.

Da zur selben Zeit auch die staatlich gelenkte Umsiedlung aus den stark mit Vertriebenen belegten in die weniger belegten Bundesländer anlief, wurde erreicht, dass die Geschäftsführung des Siedlerhilfswerks zusammen mit einer Übernahmekomission aus Rheinland-Pfalz den „Ermländer-Transport“ vorrangig zusammenstellte.

Am 13. April 1950 traf der Transport mit 65 ermländischen Familien auf dem Bahnhof Brück/Ahr ein.

Der gesamte Hausrat, soweit man davon überhaupt noch sprechen konnte – besaß doch selten eine Familie noch ein Bettgestell, an Tische, Schränke usw. war gar nicht zu denken - war in 22 Waggons geladen worden. Sie enthielten in der Hauptsache ca. 12 Pferde, Brennmaterial und alte landwirtschaftliche Geräte.